Geht das überhaupt? Doch: Hans Roth ist tatsächlich am 1.11.1947 im Alter von 17 Jahren in unseren Schachverein (damals: SK Nürnberg 1918) eingetreten!
Aus diesem Anlass veröffentlichen wir hier das Interview aus der Festschrift 2014:
Interview 2014
Herr Roth, wissen Sie noch, wann Sie angefangen haben, im Verein Schach zu spielen?
Ja, das Datum erinnere ich genau: Ich bin am 1. November 1947 in den Schachklub Nürnberg 1918 eingetreten, da war ich 17 Jahre alt. Ein Bekannter hatte mir den Tipp gegeben. Wir waren damals rund zwanzig Leute und spielten am Aufseßplatz im Lokal „Postkutsche“. Die Stadt war so kurz nach dem Krieg noch voller Ruinen und gefährlich. Ich durfte als Minderjähriger nur in Begleitung zum Schachklub gehen, denn jeden Abend waren viele so genannte „Gestalten“ unterwegs.
Wir spielten vor allem zur Unterhaltung, aber trafen uns auch oft mit den vielen anderen kleinen Nürnberger Vereinen, die es damals gab, um Freundschaftskämpfe auszutragen.
Einen regulären Ligabetrieb gab es damals allerdings noch nicht.
Wie ging es denn während der allmählichen Stabilisierung der Verhältnisse mit Ihrer Vereinslaufbahn weiter?
Ich bin im Laufe der Jahre immer besser geworden, ich habe viel gespielt, Eröffnungen studiert und Bücher gelesen. Zum Beispiel Tarrasch, Das Schachspiel. So habe ich mich allmählich von der dritten in die erste Mannschafl hochgespielt. Den Platz in einer höheren Mannschaft erkämpfte man sich beim Vereinsturnier. Wer da gut abschnitt, spielte weiter oben. Spielabend war jeden Freitag und man spielte eine Runde. Bei einer Bedenkzeit von zwei Stunden für 40 Züge und anschließender Hängepartie war das manchmal ziemlich anstrengend.
Blitzschach spielte man damals noch nicht. Doch wenn die Partien vorbei waren, kamen manchmal die Karten auf den Tisch und statt Schach standen Schafkopf oder Skat auf dem
Programm. Um minimale Einsätze.
1950 musste ich den Verein kurz verlassen, weil ich beruflich nach Bayreuth gezogen bin.
1953 kehrte ich jedoch nach Nürnberg zurück und bin wieder regelmäßig zum Spielabend gegangen. Und ich wurde immer besser.1959 gewann ich bei den Nürnberger Sportwochen
für den Sieg im Blitzturnier sogar eine Goldmedaille.
Allmählich formierte sich auch der Ligabetrieb und wir spielten regelmäßig Ligawettkämpfe gegen andere Vereine.
Gibt es Höhepunkte des Schachlebens in Nürnberg, an die Sie sich besonders gut erinnern?
Ein großes Schachereignis war 1959 die Deutsche Meisterschaft, Unzicker hat gewonnen, Michail Botwinnik und Salo Flohr waren in Nürnberg, um Simultan zu spielen. Flohr an 60,
Botwinnik an 30 Brettern. 10 DM kostete die Teilnahme an dem Simultan, damals recht viel Geld.
Ich spielte gegen Botwinnik und in einem Königsinder bot er mir irgendwann Remis an.
Ich habe sofort angenommen, denn die Chance auf ein Remis gegen den Weltmeister wollte ich mir nicht entgehen lassen. Das war eine großartige Erfahrung.
Reagierte Botwinnik ungehalten über das Remis?
Nein, gar nicht. Er war höflich und freundlich und wirkte wie ein ganz normaler Zeitgenosse.
Später sah ich Botwinnik als Zuschauer bei etlichen Olympiaden. Dorthin bin ich mit Vereinskollegen immer gerne gefahren.
Zum Beispiel sind wir zur Schacholympiade 1968 nach Lugano gereist. Wir waren zu sechst oder zu siebt und wollten alle unbedingt einmal zu einer Olympiade fahren, um die
Spitzenspieler in Aktion zu sehen. Da waren Spieler wie Botwinnik, Tal, Keres oder Polugajewski dabei. Mein Idol war Paul Keres: Mir gefiel seine Art zu spielen und sein ganzes Auftreten. Zwei Jahre später fuhren wir dann zur Schacholympiade 1970 nach Siegen und ich war bei der legendären Partie Spasski gegen Fischer live dabei. Da war richtig was
los. Das Brett war von einer riesigen Menschentraube umlagert und man sah beiden Spielern die Anspannung an. Anfangs stand Fischer gut, doch am Ende gewann Spasski. Es war spannend bis zum Ende.
1972 reisten wir dann zur nächsten Olympiade, nach Skopje, damals noch jugoslawien. Wir waren 14 Tage unterwegs und hatten von Deutschland aus sogar einen Freundschaftskampf gegen eine jugoslawische Mannschaft organisiert. Das war nicht einfach, allein schon wegen der Sprache. Außerdem gehörte Jugoslawien zu den Ostblockstaaten und da waren gemeinsame Aktionen immer schwierig.
Doch am 27. September 1972 war es dann soweit: Wir spielten einen Freundschaftskampf an sechs Brettern gegen eine jugoslawische Mannschaft —— und haben knapp gewonnen.
Gemeinsamer Urlaub mit Vereinskollegen, Reisen zu Olympiaden, jeden Freitag Spielabend. Das klingt. als ob der Schachverein in Ihrem Leben eine große Rolle gespielt hat.
Ja, man kannte sich, wir'trafen uns auch privat und haben regelmäßig Ausflüge und Wanderungen unternommen. Mit den Familien. Im Allgäu, in den Dolomiten oder in der
Steiermark.
Schach war immer dabei. Manchmal haben die anderen Wanderer gestaunt, wenn wir in der Hütte angekommen sind und das Plastikschachbrett ausgerollt, die Figuren aufgebaut und geblitzt haben.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Ich glaube, der Zusammenhalt im Schachverein ist nicht mehr so groß wie früher. Es gibt einfach viele andere Dinge, die man machen kann
und die ablenken.
Doch was mich betrifft, so gab es fast nichts, was mich davon abgehalten hätte, Freitag in den Schachklub zu gehen. Auch wenn das manchmal anstrengend war. Gelegentlich habe
ich bis acht Uhr abends gearbeitet und bin danach gleich in den Schachklub gegangen.
Ich mochte die vertraute Atmosphäre, die Freundschafien, das Miteinander. Großartig.
Aufgezeichnet von Johannes Fischer.
Ergänzungen
Aus dem "Höhenberger-Archiv" kann ich noch noch folgendes beisteuern:
Auch seine Beiträge hat er immer fleißig entrichtet:
und immer wieder ausgezeichnet:
Erfolge bei den Meisterschaften:
1977
In der Presse
Danke an Johannes Fischer fürs Interview, Horst Steindl für das Jubiläumsheft 2014 und vor allem Robert Höhenberger für das akribische Vereins-Fotoarchiv.
Lieber Hans: Wir wünschen Dir weiterhin viel Spaß und Erfolg im Verein!